4. November 2019
Hausbau Ratgeber:
Auf den Zuschlag folgt der Nachtrag
Bauherren und Baufamilien sollten beim Begriff Nachtrag die Ohren spitzen. Noch nie gehört? Dann hat der Bau des Hauses entweder noch nicht begonnen oder man hat unverschämt viel Glück gehabt. Die dritte Möglichkeit ist, dass der Bauherr an einen fairen Baupartner geraten ist, der im Vorfeld für größtmögliche Transparenz gesorgt hat.
Fast für jeden Bauherren ist der Bau des Eigenheims ein Sprung ins kalte Wasser. Jeder hofft, dass bei der eigenen Premiere als Häuslebauer alles gut geht – auch ohne Generalprobe, Netz und doppelten Boden.
In der Realität läuft aber meistens während der Bauphase irgendetwas schief. Besonders oft führen sogenannte Nachträge zu Streitigkeiten zwischen Bauherren und Bauunternehmen. Nicht selten landen diese Fälle sogar vor Gericht, da Nachträge auf Bauherrenseite in der Regel zu unliebsamen Zusatzzahlungen führen.
Gibt es Nachträge trotz Festpreisgarantie?
Viele Unternehmen bewerben schlüsselfertige Häuser mit einer Festpreisgarantie. Erst einmal verschafft dies den Bauherren ein gutes Gefühl, denn eine Kostensicherheit ist für die Kalkulation und für die Baufinanzierung von großer Bedeutung. Eine Festpreisgarantie ist jedoch stets auf das Engste mit der Bau- und Leistungsbeschreibung des Hauses verknüpft. Nur auf die darin definierten Leistungen gibt es einen Festpreis. Fehlende Posten in der Leistungsbeschreibung oder Sonderwünsche fallen also nicht unter die Festpreisgarantie. Ganz im Gegenteil, diese müssen vom Bauherrn extra bezahlt werden. So bleibt es in Realität trotz Festpreisgarantie nur selten beim Festpreis. Gewisse Klauseln in der Leistungsbeschreibung lassen häufig Raum für die Nachberechnung von Aufpreisen, zudem richten sich die Katalogpreise vieler Fertighaushersteller nur auf die Standardausstattung. Jede „Aufmusterung“, sprich jede Änderung wie zusätzliche Steckdosen, wird als individueller Sonderwunsch nachberechnet. Alles, was nicht zum Standard zählt, ist mit gegebenenfalls hohen Zusatzkosten verbunden. Diese Mehrkosten aufgrund der Bemusterung sollte kein Bauherr unterschätzen und unbedingt von Anfang an bei der Finanzierung mit einplanen.
Was ist ein Nachtrag beim Hausbau?
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Eine Baustelle ohne Nachtragsforderungen ist eine echte Rarität. Denn oftmals stellt sich erst während der Bauphase heraus, dass bestimmte Abweichungen von der ursprünglichen Planung erforderlich sind. Jede Baustelle ist anders, daher kann es zu unvorhersehbaren Leistungsanpassungen kommen. Hinzu kommt, dass Bauherren ist der Regel selbst häufig Nachträge erzeugen, indem sie noch kurz vor der Fertigstellung des Hauses komplizierte Sonderwünsche beauftragen.
Grundsätzlich wird mit dem Begriff Nachtrag eine Forderung auf Vergütung für eine abweichende Bauleistung verstanden, die erst nach Vertragsabschluss gefordert wird. Es handelt sich also um eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Leistungsbeschreibung. Kurz gesagt: Was als Leistung beschrieben wird, kann kein Nachtrag sein. Aus diesem Grund rückt die Leistungsbeschreibung in den Fokus. Diese kann eindeutige und weniger eindeutige Formulierungen beinhalten. Dabei sollte man nicht nur darauf achten, was in der Leistungsbeschreibung steht, sondern vor allem darauf, was nicht darin zu finden ist. Sobald nämlich Arbeiten, die obligatorisch für die Errichtung eines Hauses sind, nicht in der Leistungsbeschreibung auftauchen, entstehen zusätzliche Kosten. Anders ausgedrückt: Was nicht schriftlich in der Leistungsbeschreibung verankert wird, schuldet das Bauunternehmen auch niemanden – ganz egal, was der Bauherr unter normalem Menschenverstand versteht oder selbstverständlich voraussetzt. Dass auf diese Weise ein großer Spielraum für unterschiedliche Interpretationen entsteht, liegt auf der Hand.
Auf welche Formulierungen muss man in der Leistungsbeschreibung achten?
Ein beliebtes Beispiel für kniffelige Formulierungen: Ein Haus „ab Oberkante Bodenplatte“ bedeutet schlichtweg, dass der Bauherr die Erdarbeiten und die Bodenplatte zusätzlich bezahlen muss. Oftmals kommen sogar noch die Planungs- und Transportkosten für die Bodenplatte oder Kosten für ein Bodengutachten dazu.
Ähnlich oft kommt es bei dem Begriff „bauseits“ zu gravierenden Missverständnissen. Ein kleines Wort, das es in sich hat. Es sollte in keinem Baustellen-Vokabelheft fehlen. Viele Bauherren vermuten, dass mit „bauseits“ eine Leistung seitens des Bauunternehmens bezeichnet wird. Leider ist das Gegenteil der Fall. „Bauseits“ beschreibt vielmehr Eigenleistungen oder Leistungen, die vom Bauherrn selbst zusätzlich beauftragt werden müssen.
Wenn zum Beispiel die Erschließungskosten mit dem Wort „bauseits“ deklariert werden, bedeutet dies im Klartext: Für sämtliche Anschlüsse wie für Wasser, Strom, Gas, Kanalisation und Telefon muss der Bauherr selbst aufkommen. Daher sollte man auf diese oder ähnliche Passagen im Vertragswerk unbedingt achten.
Nebulöse Formulierungen und schwarze Schafe
Natürlich gibt es in der Praxis schwarze Schafe. Manche Bauträger versuchen zunächst im Wettbewerb mit anderen Anbietern aufgrund besonders günstiger Angebote zu punkten. Mit Top-Preisen und löchrigen und vage formulierten Leistungsbeschreibungen wird die Konkurrenz zunächst ausgestochen. Nach dem Vertragsabschluss werden dann die letztlich unrentablen Aufträge durch Nachträge in die Gewinnzone gebracht. Diese „versteckten“ Nachträge können es in sich haben. Die Klassiker der „vergessenen“ Erwähnungen sind in der Regel Anschlusskosten, Kosten für Erdarbeiten, Baugrunduntersuchungen und Vermessungskosten sowie die Baustelleneinrichtung.
Auch im Eifer des Gefechtes sollten sich Bauherren unbedingt Zeit für die Vertragslektüre nehmen, sonst werden wichtige Stellen überlesen. Eine beliebte Nebelbombe ist dabei die Formulierung „Abflussrohr bis zum Erdgeschoss“. Im Klartext: Der Anschluss an die Kanalisation und die Rohrverlängerung bis in den Keller zahlt der Bauherr extra, ganz gleich wie absurd die beschriebene Leistung in der Praxis ist.
Als Bauherr sollte man auf jeden Fall alle Punkte und Einzelposten hinterfragen und sichergehen, dass man die Leistungsbeschreibung richtig verstanden hat. Oft hat dies zum Ergebnis, dass der auf den ersten Blick günstigste Anbieter bei genauer Analyse auch weniger bietet. Wie heißt es so schön: Wer billig kauft, kauft zweimal – gerade im Bauwesen trifft das leider oft zu. Wer sparen möchte, sollte lieber über Eigenleistungen nachdenken, denn so können im erheblichen Maße Lohnkosten auf der Baustelle eingespart werden. Ein seriöses Bauunternehmen wird die Bauherren zu möglichen und sinnvollen Eigenleistungen umfassend beraten und auch Tipps und Know-how ohne Zögern zur Verfügung stellen.