Moderner Baustoff Lehm

1. März 2021

Ökologisch bauen:
Einer der ältesten Baustoffe der Menschheits­geschichte feiert ein erstaunliches Comeback

Über 10.000 Jahre hat der Baustoff Lehm locker auf dem Buckel. Lange war er hierzulande in Vergessenheit geraten. Seit seiner Wiederentdeckung im Kontext des Ökologischen Bauens erlebt er eine bemerkenswerte Renaissance als wohngesundes Wunderwerk.

Man muss nicht zwangsläufig in den Orient reisen, um Gebäude aus Lehm zu bewundern. Sicherlich sind die bis zu neun Stockwerken hohen Lehmhochhäuser der uralten jemenitischen Wüstenstadt Shibam oder die Bauten der Bergoase Aït-Ben-Haddou im Südosten Marokkos extrem faszinierende Bauwerke. Beispiele für Lehmbau finden sich aber auf der ganzen Welt, selbst weite Teile der chinesischen Mauer bestehen im Inneren aus Lehm und wurden erst später mit Natursteinen verblendet.

Selbst in Deutschland gibt es zahlreiche Architektur-Schätze aus Lehm. Rund zwei Millionen Menschen wohnen bei uns gegenwärtig in Lehmhäusern, denn die historischen Fachwerkbauten in unserem Land besitzen Wände aus Holz, Stroh – und eben Lehm. Hoch hinaus ging es hier ebenfalls schon vor langer Zeit: In Weilburg (Hessen) steht ein Stampf­lehm­hochhaus von 1836 mit sechs Geschossen. Heute beeindrucken Neubauten wie die Darmstädter Firmenzentrale des Bio-Anbieters Alnatura, die mit 13.500 Quadratmeter Brutto­geschossfläche als Europas größtes Bürogebäude aus Lehm gilt.


Lehmbauten Aït-Ben-Haddou

Ein ökologischer Bilderbuch-Baustoff

Seit Jahrtausenden wird Lehm auf der ganzen Welt als Baustoff verwendet. Als die Menschen in der Jungsteinzeit sesshaft wurden, griffen sie zum Hausbau auf Lehm zurück. Inzwischen entdecken immer mehr private Bauherren die Vorzüge des traditionellen Baustoffes wieder. Lehm erfüllt hohe baubiologische und ökologische Ansprüche, darüber hinaus besitzt der Werkstoff hervorragende bauphysikalische Eigenschaften, die sich vor allem positiv auf das Wohnklima auswirken. Als Verbindung von Ton, Kies, Schluffstein und Sand kommt Lehm auch in unseren Breitengraden in rauen Mengen vor. Lehm findet sich fast überall im Boden. Dadurch entfallen lange Transportwege. Sehr gering ist auch der Energieaufwand bei der Herstellung von Lehmbaustoffen, die ohne chemische Zusätze aufbereitet werden. Lehmbaustoffe sind vollständig wiederverwendbar, gesundheitlich unbedenklich und weisen zudem eine sehr lange Lebensdauer auf, was den Baustoff zu einem ökologischen Baustoff wie aus dem Bilderbuch macht. Überdies besitzen Lehmputze und Lehmoberflächen eine sehr angenehme und sinnliche Haptik und sehen einfach schön aus.

Lehmbaustoffe verbessern das Wohnraumklima

Lehmbaustoffe sind als diffusionsoffene und sorptionsfähige Baustoffe in der Lage, anfallende Luftfeuchtigkeit, die beim Wohnen entsteht, rasch aufzunehmen, zu puffern und bei trockener Raumluft wieder abzugeben. Wie eine natürliche Klimaanlage regulieren Baustoffe aus Lehm auf diese Weise das Wohnraumklima. Werte der relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 45 und 55 Prozent sind keine Seltenheit. Diese Werte sind ideal für Haus und Mensch, denn sie schützen das Haus vor Schimmel und bewahren die Schleimhäute während der Heizperiode vor dem Austrocknen. Lehmbaustoffe entfalten vor allem ihre Wirkung, wenn sie mit Direktkontakt zur Innenraumluft verbaut werden. Aus diesem Grund sind Lehmputze und Lehmbauplatten, die zur Wandverkleidung genutzt werden, besonders sinnvolle Einsatzarten von Lehmbaustoffen.

Ursprüngliches Naturmaterial zum Wohlfühlen

Die klimaregulierenden Eigenschaften von Lehmbaustoffen sind vor allem in Häusern mit einer luftdichten Gebäudehülle gefragt. Dort können die Baustoffe ihr Potenzial voll entfalten und zum Ausgleich der Luftfeuchtigkeit beitragen.

Im Zusammenspiel mit einem modernen Wandaufbau und guten Dämmstoffen sorgt Lehm für behagliche Temperaturen. Lehm kann Wärme sehr gut speichern und zudem im Sommer durch eine kühlende Wirkung vor Überhitzung schützen. Während der kalten Tage können Lehmwände die Wärme der tief stehenden Sonne einfangen, die durch die Fensterflächen ins Haus scheint. Am Abend, wenn es kühler wird, wird jene eingespeicherte Wärme wieder abgegeben. Auf diese Weise können Heizkosten erheblich reduziert werden.

Auch beim Schallschutz kann Lehm aufgrund einer schalldämpfenden Wirkung punkten. Allein durch seine hohe Masse und Rohdichte eignet sich Lehm ausgezeichnet zur Unterstützung des Schallschutzes.

Lehmbaustoffe haben aber noch einen weiteren großen Vorzug. Durch die im Ton enthaltenen Mineralien können sie Wohngifte, Schadstoffe und schlechte Gerüche aus der Luft absorbieren und neutralisieren. Somit wird die Raumluft permanent gereinigt, Lehm trägt also maßgeblich zu einem wohngesunden Wohnen bei.

Lehmbaustoffe und Holzbau:

Seit alters her wird Lehm mit verschiedenen Holzbauweisen kombiniert. Die Lebensdauer von mehreren Jahrhunderten, die mittelalterliche Fachwerkhäuser aufweisen, bezeugt den Erfolg dieser traditionsreichen Verbindung. Lehm ist in der Lage, Holz quasi natürlich zu konservieren, indem der Lehm Feuchtigkeit von angrenzend verbauten Holz entziehen und abhalten kann. Dadurch wird das Holz vor Pilzen, Schimmel und Schädlingen geschützt, die allesamt einen gewissen Feuchtegehalt für ihr Wachstum benötigen. Dies mag in modernen Holzhäusern durch die Maßnahmen des konstruktiven Holzschutzes und technisch getrocknetem Bauholz nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, schaden tut die Verwendung von Lehm beim Innenausbau aber auch hier sicher nicht. Ganz im Gegenteil, das Duo Lehm und Holz passt aus bereits oben beschriebenen wohnklimatischen Gründen auch im Neubau perfekt zueinander.


Lehm und Holz: Fachwerkhäuser

Kongeniale Ergänzung: Lehm und Wandheizung

Allein durch die hohe Eigenmasse ist eine Lehmwand ideal für den Einbau einer Wandheizung geeignet. Die Wand nimmt die angenehme Strahlungswärme der Wandheizung auf, speichert sie und gibt sie in den Raum ab. Wandheizungen erreichen bereits bei 17 bis 19 Grad Raumtemperatur eine gefühlte Temperatur von 21 Grad aus herkömmlichen Heizkörpern. An besonders heißen Tagen des Sommers kann die Kombination aus Lehmwand und Wandheizung die Räume sogar kühlen. Hierfür muss einfach kaltes Wasser in die Rohrleitungen der Wandheizung geleitet werden. Auf diese Weise kühlt und klimatisiert die Lehmwand die angrenzenden Räume.

Lehm ist für den Neubau und Umbau von Altbauten sowie für die Denkmalpflege gleichermaßen gut geeignet – und überaus einfach zu verarbeiten. Der etwas geübte Heimwerker wird mit diesem hautfreundlichen und leicht abwaschbaren Baustoff keine Probleme haben und bestens zurechtkommen. Fachbetriebe, die sich auf den Holzbau oder auf die Fachwerkhaussanierung spezialisiert haben, beherrschen den Umgang mit diesem überaus attraktiven Baustoff meist aus dem Effeff.

Titelbild: Photo by Bernard Hermant on Unsplash
Bild 2: Photo by Elektra Klimi on Unsplash
Bild 3: Photo by Jonathan Kemper on Unsplash